Wissenschaftsungläubigkeit und der Unterschied zwischen Korrelation und Kausalität

Bevor es die wissenschaftliche Methode gab, versuchten Menschen, die Welt mit anderen Mitteln zu verstehen: Tradition, Intuition, Spiritualität, Autorität oder Anekdoten. Über Jahrtausende galt etwas als „wahr“, wenn es von religiösen Führern, Monarchen oder charismatischen Persönlichkeiten verkündet wurde. Macht und Selbstsicherheit ersetzten Beweise. Die Devise: Korrelation statt Kausalität.

Die 4 Körpersäfte

Ein Beispiel aus der Medizingeschichte zeigt das drastisch: Über fast zwei Jahrtausende dominierte die Humorallehre das Denken. Krankheiten wurden auf ein Ungleichgewicht der vier Körpersäfte – Blut, Schleim, schwarze und gelbe Galle – zurückgeführt. Diese Idee stammte aus den Schriften antiker Ärzte und wurde von Galenos von Pergamon ca. 200 n.Chr. systematisch niedergeschrieben. Beobachtung oder experimentelle Überprüfung? Fehlanzeige.

Die Folgen bis ins 19. Jahrhundert

Blutlassen wurde zur Standardtherapie – gegen Fieber, Entzündungen oder Atemwegserkrankungen. Selbst George Washington, der erste Präsident der USA, starb 1731, nachdem seine Ärzte ihm zur Behandlung einer heute gut zu heilenden Halsentzündung fast 50% seines Blutvolumens entzogen und ihm Abführmittel gegeben hatten. Damals war das keine „Alternativmedizin“, sondern anerkannte Praxis im Rahmen der Humorallehre. Und die Ergebnisse waren entsprechend verheerend.

Sir Charles Bell, Public domain, via Wikimedia Commons

Für den größten Teil der Menschheitsgeschichte lag die durchschnittliche Lebenserwartung bei etwas über 40 Jahren. Kinder verstarben an Durchfall, Infektionen oder Unterernährung. Um 1800 überlebten ca 30% der Kinder die ersten 12 Jahre nicht. Frauen starben regelmäßig im Kindbett, kleine Verletzungen wie simple Schürfwunden konnten tödlich enden, da man sich schnell mal mit dem Bakterium Clostridium tetani infizierte, um dann an Wundstarrkrampf zu sterben. Man wusste das aber nicht und glaubte an „schlechte Luft“ oder Flüche oder Dämonen als Krankheitsursachen. Therapien bestanden aus Aderlässen, Quecksilbergaben, Blutegeln oder fragwürdigen anderen „natürlichen“ Mitteln. Es gab kein systematisches Verfahren, Ideen zu überprüfen oder falsche Vorstellungen auszusortieren. Wer die herrschenden Überzeugungen infrage stellte, riskierte, als Ketzer gebrandmarkt zu werden.

Das war die Welt vor der wissenschaftlichen Methode. Heute wissen wir es besser – und doch ist die Versuchung, sich auf Bauchgefühl, Gruppendenken in Facebookgruppen oder die Überzeugungskraft von Influencer:innen zu verlassen, nach wie vor groß.

Korrelation ist nicht Kausalität

Ein zentrales Problem der Wissenschaftsungläubigkeit liegt im Missverständnis zwischen Korrelation und Kausalität. Zwei Dinge können gleichzeitig auftreten, ohne dass das eine das andere verursacht. Wer etwa beobachtet, dass Menschen mehr Eis essen und gleichzeitig liest, dass es mehr Tote durch Ertrinken gibt, mag den Schluss ziehen, dass Eis Essen irgendwie zu Ertrinken führt. Tatsächlich gibt es eine dritte Variable – das Wetter –, die beide Phänomene erklärt. An heißen Tagen gehen mehr Menschen schwimmen und daher ertrinken auch mehr. Und natürlich gönnen sich viele ein Eis.

Genau hier setzt die wissenschaftliche Methode an: Viele Hypothesen zu einer Frage werden aufgestellt, überprüft, verworfen (falsifiziert) und die am Ende übrig gebliebene Hypothese wird wiederholt und unabhängig getestet. Nur so lässt sich klären, ob ein Zusammenhang kausal ist oder lediglich zufällig. Ohne diese Unterscheidung bleiben wir anfällig für falsche Schlüsse – und für die Überzeugungskraft von Influencer*innen und Facebook-Gurus, die Korrelationen als scheinwissenschaftliche „Beweise“ verkaufen.

Korrelation: zwei Ereignisse treten gleichzeitig oder regelmäßig zusammen auf.
Kausalität: ein Ereignis verursacht direkt ein anderes.

Warum das heute relevant ist

In Zeiten von Fake News, Gesundheitsmythen und Verschwörungserzählungen zeigt sich, wie schnell alte Muster zurückkehren. Okay, das Eis-Beispiel ist bewusst etwas dämlich gewählt, weil es sich leicht als Fake-News identifizieren lässt. Ein überzeugend vorgetragenes „Das hat mir geholfen“ ersetzt für viele Menschen aber auch heute noch harte Daten. „Ich habe die Covid-Impfung bekommen und danach Histaminintoleranz, also ist die Impfung der Auslöser für die Histaminintoleranz“ liest man häufig. Doch persönliche Anekdoten sind kein Beweis. Auch nicht, wenn es mehrere Personen in einer Facebookgruppe immer wieder behaupten. Korrelation ist eben nicht Kausalität. 

Wissenschaft ist mühsam, kritisch und oft unbequem. Aber sie ist unser bestes Werkzeug, um falsche Kausalitäten zu entlarven und echte Zusammenhänge zu verstehen. Sie war und ist unser Weg aus der Humorallehre, aus dem Glauben an Esoterik und Astrologie, aus dem Vertrauen in Dämonenbeschwörung und Beten als Heilung von Krankheiten oder aus dem Glauben an schlechte Luft als Auslöser für Malaria.

Die Geschichte erinnert uns: Ohne kritisches Prüfen bleiben wir anfällig für Irrtümer, die nicht nur unser Denken beeinflussen, sondern auch unser Leben kosten können. Aber kritisches prüfen muss gelernt sein und wissenschaftlichen Methoden folgen. Es heißt nicht einfach mal laut zu schreien, dass die bösen Wissenschaftler uns alle in die Irre führen wollen. Es heißt entweder selber Wissenschafter zu werden oder eben auch mal Expert:innen Glauben zu schenken.

Ohne moderne wissenschaftliche Methoden würden wir heute noch mit durchschnittlich 40 Jahren an der Himmelstür klopfen, weil wir uns beim Unkrautjäten aufgeschürft und mit Tetanus oder beim Ausgehen mit Masern infiziert haben. Dank dieser Methoden haben wir aber keine Angst mehr vor den meisten Infektionskrankheiten und immerhin eine durchschnittliche Lebenserwartung von über 80 Jahren.

Weiterführende Literatur

  1. https://www.wgff.de/aachen/download/d_kindersterblichkeit.pdf
  2. Papyrus Ebers und die antike Heilkunde, Akten der Tagung vom 15.–16. 3. 2002 in der Albertina/UB der Universität Leipzig, Herausgegeben von Hans-Werner Fischer-Elfert, 2005, Harrassowitz Verlag Wiesbaden, ISSN 1613-5628, ISBN 3-447-05209-0
  3. https://home.uni-leipzig.de/schreibportal/korrelation-als-kausalitaet/
  4. Sudarshan, Raghav et al, Tetanus: recognition and management,The Lancet Infectious Diseases, Volume 0, Issue 0

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