Letzte Aktualisierung am 16. Juni 2023 von Dr. Michael Zechmann-Khreis
Es gibt grundsätzlich zwei Formen der Fructoseintoleranz. Diese beiden Formen haben aber nichts miteinander zu tun und sind medizinisch gesehen sehr unterschiedlich. Bei der hereditären Fructoseintoleranz handelt es sich um eine erbliche Krankheit, die durch einen angeborenen Mangel des Enzyms Fruktose-1-Phosphat-Aldolase gekennzeichnet ist. Die Fruktose wird hier ohne Probleme über den Darm in den Körper aufgenommen, kann dann aber nicht richtig in der Leber abgebaut werden. Diese Form kommt nur äusserst selten vor und führt schon im Kindesalter zu Leberschädigungen, Nierenschädigungen und Hypoglykämien. Diese schwerwiegende Erkrankung tritt ab der ersten Beikostfütterung auf. Ein gesunder Erwachsener kann diese Erkrankung nicht mehr entwickeln. Der Begriff hereditär bedeutet „erblich, vererbt“.
Die intestinale Fructoseintoleranz (Fructosemalabsorption, Fruktoseunverträglichkeit) hingegen ist eine erworbene Krankheit, die vermutlich auf ein defektes und vermindertes Transportsystem (GLUT-5 oder GLUT-7) im Dünndarm zurück zu führen ist, d.h. die Fructose kann nicht ausreichend in den Körper aufgenommen werden. Hat sie es aber in den Körper geschafft, kann sie hier ohne Probleme abgebaut werden. Diese Form betrifft ca. 15-30% der Bevölkerung. Der Begriff intestinal bedeutet „zum Darm gehörend“.
Der vereinfachte Begriff „Fructoseintoleranz“ wird in der Öffentlichkeit nahezu ausschließlich für die intestinale Fructoseintoleranz, verwendet. Wir verwenden diesen Begriff daher auch hier am nmi-Portal. Gemeint ist jedoch nie (außer ausdrücklich erwähnt) die hereditäre Fructoseintoleranz!
Noch ein Unterschied: Intoleranz oder Malabsorption?
Maldigestion: bedeuted „schlechte Verdauung“ – der betreffende Stoff wird im Magen oder Dünndarm nicht richtig aufgespalten und kann dadurch nicht richtig verdaut werden
Malabsorption: bedeutet „schlechte Aufnahme“ – der betreffende Stoff kann nur schlecht oder gar nicht über das Verdauungssystem und in den Körper aufgenommen werden
Intoleranz: der malabsorbierte Stoff erzeugt Symptome
Der Unterschied dieser Begriffe liegt im Detail und ist normalerweise für Betroffene nicht relevant. Daher werden die Begriffe auch meistens gleich gesetzt. Das heißt eine Fructosemalabsorption ist eine intestinale Fructoseintoleranz. Das gleiche gilt für die deutsche Bezeichnung Unverträglichkeit. Eine Fruktosemalabsorption ist also auch eine Fruchtzuckerunverträglichkeit. Das gleiche gilt bei Laktoseintoleranz, eine Laktosemaldigestion ist eine Laktoseintoleranz. Aus der Sicht der Medizin ist die Sache anders. Für eine exakte Diagnose muss man die Begriffe natürlich trennen. Eine Maldigestion kann eine Malabsorption zur Folge haben, diese wiederum kann – muss aber nicht – eine Intoleranz zur Folge haben.
Das heißt es kann Patienten geben, die zwar eine Fruktosemalabsorption haben, da sie jedoch keine merklichen Symptome beschreiben, leiden sie nicht an einer Intoleranz. In der medizinischen Praxis wird dies jedoch selten auftreten, da die Patienten ja meist wegen Symptomen kommen, also bereits eine Intoleranz haben. Außerdem sollte auch eine Malabsorption behandelt werden, da auch sie in weiterer Folge, wenn auch vom Patienten unbemerkt, zu Problemen führen wird. Zu beachten ist dies sicherlich bei Mehrfachunverträglichkeiten oder bei Patienten mit gestörter Selbstwahrnehmung!
In der Diagnose sollten die Begriffe also nach Möglichkeit korrekt aufgeschlüsselt werden, in der Kommunikation mit dem Patienten sollten aber klare und im nicht-medizinischen Bereich verwendete Definitionen gebraucht werden. Die Diagnose sollte noch klarer aufgeschlüsselt werden als hier angegeben.
Ab wann spricht man von Fructoseintoleranz?
Derzeit geht man davon aus, dass man, wenn beim H2-Atemtest weniger als 25g Fruktose zu Symptomen führen, an einer Fruktoseintoleranz leidet. Normalerweise kann ein Mensch bis zu 50g Fruktose problemlos aufnehmen. Isst ein gesunder Mensch mehr als diese 50g, oder beeinflusst er durch Medikamente oder z.Bsp. Zuckeralkohole seine Aufnahmemechanismen, kann es auch bei ihm zu zeitlich begrenzten Symptomen kommen (temporäre Fructoseintoleranz).
Intestinale Fructoseintoleranz: Das passiert im Körper
Wie die Fruktoseintoleranz funktioniert, also was da im Darm nicht funktioniert, ist bisher nicht genau bekannt. Auch deshalb, weil man nicht genau weiß, wie die Aufnahme von Zuckern überhaupt funktioniert. Man geht davon aus, dass Zucker mit Hilfe von Transportproteinen (GLUT, SGLT) im Darm resorbiert werden. Für die Fructose ist der GLUT-5-Transporter zuständig, sie kann aber auch über GLUT-2 und GLUT-7 (5) aufgenommen werden. Diese Transporter bringen den Fruchtzucker vom Darm in die Dünndarmzelle, einige dieser Transporter bringen die Zucker dann auf der anderen Zellseite wieder aus der Zelle hinaus, rein ins Blut. Solche Transporter reagieren aber auch auf andere Stoffe. Einige Zuckeralkohole wie Sorbit blockieren zum Beispiel den GLUT-5 Transporter, während Traubenzucker (Glukose) seine Aktivität möglicherweise stimuliert. Traubenzucker hat aber noch einen anderen Effekt. Ist viel von ihm im Darm vorhanden, so wandern die GLUT-2 Transporter an die darmseitige Zellwand. Da sie auch Fructose aufnehmen, kann so mehr Fructose verdaut werden. Früher sagte man: „Jedes Molekül Traubenzucker ermöglicht einem Molekül Fruchtzucker die Resorption.“ Dieser Satz stimmt physiologisch vermutlich nicht, aber in der Praxis funktioniert dieser Merksatz trotzdem.
Deshalb sollten Menschen mit Fruktosemalabsorption auf die meisten Zuckeralkohole wie Sorbit, Mannit, Isomalt, etc. verzichten und können Traubenzucker essen, falls sie viel Fructose zu sich nehmen müssen (Nach der Karenzzeit!). Aber Achtung: Das sollte man nicht zu oft und schon gar nicht dauerhaft machen, da man sonst Gefahr läuft eine Insulinresistenz zu entwickeln.
Warum manche Menschen eine Fructoseintoleranz entwickeln ist noch nicht geklärt.
Quellen
(1) Rainer Klinke, Hans-Christian Pape, Stefan Silbernagl (Hrsg.): „Lehrbuch der Physiologie“, 5. Auflage. Thieme, Stuttgart 2005
(2) Ledochowski M, Widner B, Fuchs D. „Fruktosemalabsorption“. J Ernährungsmed 2000; 2: 10-14
(3) Born Peter, World J Gastroenterol 2007 November 21;13(43): 5687-5691 „Carbohydrate malabsorption in patients with non-specific abdominal complaints“
(4) Manir Ali, Peter Rellos, Timothy M Cox, ItMed Genet 1998;35:353-365, „Hereditary fructose intolerance“
(5) Li Q, Manolescu A, Ritzel M, Yao S, Slugoski M, Young JD, Chen XZ, Cheeseman CI. Cloning and functional characterization of the human GLUT7 isoform SLC2A7 from the small intestine. Am J Physiol Gastrointest Liver Physiol 2004; 287: G236-G242
(6): Klinisches Wörterbuch Pschyrembel, 261.Auflage, 2007; verlag Walter de Gruyter
(7): H2-Atemteste, M.Ledochowski, Verlag Ledochowski, 2008
(8): Ernährungsmedizin, K.Widhalm (Hrsg.), Verlagshaus der Ärzte, 3.Auflage, 2009