Neue Archaeen im menschlichen Darm entdeckt

Methanobrevibacter intestini erweitert das bekannte Darmmikrobiom

Das menschliche Darmmikrobiom ist ein faszinierendes Ökosystem – mit Billionen von Mikroorganismen, die unsere Gesundheit maßgeblich beeinflussen. Wir denken bei der Darmflora immer an Bakterien, selten auch an Hefepilze wie Candida sp. Doch ein Teil dieses Mikrokosmos wurde bisher weitgehend übersehen: die Archaeen. Eine neue Studie von Weinberger et al. (2025) bringt nun Licht ins Dunkel. Sie beschreibt erstmals die Kultivierung und genaue Charakterisierung einer neuen Archaeen-Spezies aus dem menschlichen Darm: Methanobrevibacter intestini.

Was sind Archaeen – und was haben sie im Darm zu suchen?

Archaeen sind einzellige Mikroorganismen, die nicht zu den Bakterien gehören, sondern eine eigene Domäne bilden. Sie sind den Bakterien aber sehr ähnlich und wurden daher auch gerne Archaebakterien oder Urbakterien genannt. Sie sind extrem anpassungsfähig – ursprünglich bekannt aus heißen Quellen, Salzseen oder der Tiefsee. Doch auch in unserem Dickdarm sind sie zuhause.

Im menschlichen Darm spielen sie vor allem eine Rolle bei der Methanbildung. Dabei nutzen sie Wasserstoff (H₂) und Kohlendioxid (CO₂), die beim bakteriellen Abbau von z.B. Ballaststoffen entstehen, und produzieren daraus Methan (CH₄). Die dabei wichtigste Art heißt bislang Methanobrevibacter smithii – sie ist bei fast allen Menschen nachweisbar und beeinflusst die Zusammensetzung des Darmmikrobioms, die Gasbildung und möglicherweise auch die Stuhlgewohnheiten.

Der neue Mitspieler im Darm: Methanobrevibacter intestine

In der aktuellen Studie1 wurden zwei Archaeen-Stämme aus menschlichen Stuhlproben isoliert. Einer davon konnte als gänzlich neue Art beschrieben werden: Methanobrevibacter intestini. Der Name bedeutet wörtlich „Methanbildner aus dem Darm“.

Was bedeutet das für unser Verständnis vom Darmmikrobiom?

Die Erkenntnis, dass sich M. intestini genetisch und funktionell von M. smithii unterscheidet, hat weitreichende Implikationen:

Methanobrevibacter smithii by KI
Symbolbild eines Urbakeriums, generiert durch KI, 14.7.2025
  1. Erweiterung der mikrobiellen Vielfalt im Darm: Archaeen sind fester Bestandteil unseres Mikrobioms, nicht bloß „Mitreisende“.
  2. Die bisherigen Methoden zur Analyse des Mikrobioms – vor allem solche, die nur auf das 16S-rRNA-Gen zielen – können M. intestini und M. smithii nicht zuverlässig unterscheiden. Das heißt, die leider oft verkauften Mikrobiomanalysen für zu Hause können auch hier, so wie bei vielen Bakterien, keine genaue und diagnostisch brauchbare Aussage treffen.
  3. Potenzielle Zusammenhänge mit Gesundheit und Krankheit: Die Studie zeigt Unterschiede im Stoffwechsel, z. B. bei der Formiatbildung, was Einfluss auf Blähungen, Stuhlgang oder Methanbildung in der Atemluft haben könnte. Archaeen sind aber nicht als krankmachende Keime bekannt, man muss sich also nicht vor ihnen fürchten.
  4. Unser Mikrobiom besteht aus mehr als Bakterien. Es ist ein extrem komplexes System aus allen möglichen Lebewesen, deren Nutzen, Bedeutung, Schaden und Interaktionen wir noch kaum verstehen. Also bitte Vorsicht bei „Berater:innen“, die dir erklären wie das ganz genau funktioniert im Darm… denn das wissen wir noch gar nicht so genau.

Und der zweite Fund? Methanobrevibacter smithii „GRAZ-2“

Neben der neuen Spezies wurde auch ein weiterer Stamm von M. smithii isoliert – aus einer Stuhlprobe in Graz. Dieser „GRAZ-2“ genannte Stamm zeigt kleine Unterschiede zu bekannten Isolaten, ist aber keine neue Art, sondern eine Variante von M. smithii.

Das „human archaeome“ ist ein unterschätzter Teil des Darmmikrobioms

Mit der Entdeckung und Beschreibung von Methanobrevibacter intestini liefert die Studie einen wichtigen Baustein für das Verständnis des menschlichen Archaeoms – also der Archaeen im menschlichen Darm. Solche Erkenntnisse sind zentral für eine zukünftige personalisierte medizinische Mikrobiomdiagnostik , die Entwicklung mikrobiombasierter Therapien und die gezielte Modulation des Darmmikrobioms bei funktionellen Magen-Darm-Erkrankungen. Doch das ist noch ein weiter Weg.

Quelle

  1. Weinberger, V. et al. Expanding the cultivable human archaeome: Methanobrevibacter intestini sp. nov. and strain Methanobrevibacter smithii ‘GRAZ-2’ from human faeces. Int. J. Syst. Evol. Microbiol. 75, (2025).