Letzte Aktualisierung am 5. Mai 2025 von Dr. Michael Zechmann-Khreis
Nahrungsmittelallergien sind im Gegensatz zu Nahrungsmittelintoleranzen immunologisch vermittelte Überempfindlichkeitsreaktionen auf bestimmte Lebensmittelbestandteile, vor allem Eiweiße. Sie können bereits beim Verzehr kleinster Mengen (Spuren) auftreten und betreffen Menschen jeden Alters. Kinder sind aber häufiger betroffen als Erwachsene. Die häufigsten Auslöser sind Erdnüsse und Kuhmilch (bei Kindern) sowie Weizen, Schalentiere, Soja und Sellerie (bei Erwachsenen).
Was ist eine Nahrungsmittelallergie?
Bei einer Nahrungsmittelallergie reagiert das Immunsystem überempfindlich auf bestimmte Proteine (Eiweiße) in Lebensmitteln. Nahrungsmittelallergien sind IgE-vermittelte Soforttyp-Allergien (Typ I), bei denen Symptome meist innerhalb von Minuten nach dem Verzehr auftreten. Bei Intoleranzen wie der Histaminintoleranz treten die Symptome bis zu 4 Stunden nach dem Verzehr auf. Diese Reaktionen können von milden Beschwerden bis hin zu lebensbedrohlichen Zuständen reichen, was aber selten ist. Man kann dabei auf das Eiweiß im Nahrungsmittel direkt allergisch reagieren (primäre Nahrungsmittelallergie) oder aufgrund einer z. B. Pollenallergie eine Kreuzreaktion mit einem Nahrungsmittel haben (sekundäre NMA).
Wie häufig sind Nahrungsmittelallergien?

Die Häufigkeit von Nahrungsmittelallergien hat in den letzten Jahren in manchen Ländern zugenommen. Vor allem Erdnuss- und Baumnussallergien sind dort steigend. Kinder sind öfter betroffen als Erwachsene. Die Daten sind hier nicht konsistent. Kinder dürften zwischen 4,5 und 7 % betroffen sein, Erwachsene zwischen 3 und 5 %. Kinder haben dabei hauptsächlich primäre Allergien gegen Grundnahrungsmittel, Erwachsene sekundäre. Als Erwachsener eine primäre Allergie auf Grundnahrungsmittel zu entwickeln, ist recht unwahrscheinlich. Ausgenommen ist die Fischallergie, die in jedem Alter auftreten kann. Zu den häufigsten Auslösern von Nahrungsmittelallergien bei Erwachsenen zählen Apfel, Erdnuss, Kiwi, Haselnuss, Pfirsich, Kuhmilch, Hühnerei, Weizen, Fisch und Shrimps. Noch häufiger als echte primäre Nahrungsmittelallergien treten allerdings Kreuzreaktionen auf, die durch eine Sensibilisierung auf inhalative Allergene entstehen. Im deutschsprachigen Raum ist vor allem die birkenpollenassoziierte Nahrungsmittelallergie weit verbreitet. Diese Form der Allergie entwickelt sich meist im Jugend- oder Erwachsenenalter und kann langfristig bestehen bleiben.
Wir wissen auch, dass die Häufigkeit einer NMA durch das Geschlecht bestimmt wird. Frauen sind öfter betroffen als Männer. Auch familiäre Vorbelastungen sowie andere Allergien sind für das Risiko ausschlaggebend.
Symptome
Die Symptome einer Nahrungsmittelallergie können vielfältig sein und verschiedene Organsysteme betreffen:
- Haut: Juckreiz, Rötungen, Quaddeln
- Mund und Rachen: Schwellungen, Juckreiz, Kribbeln
- Magen-Darm-Trakt: Übelkeit, Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen
- Atemwege: Husten, Atemnot, Asthma
- Herz-Kreislauf-System: Im (sehr seltenen) Extremfall kann es zu einem anaphylaktischen Schock kommen
Diagnose
Die Diagnose einer Nahrungsmittelallergie erfolgt durch:
- Ernährungs- und Symptomtagebuch
- Anamnese – detaillierte Erhebung der Krankengeschichte
- IgE-Blutuntersuchung und/oder Hauttest (Prick-Test) – diese Tests alleine reichen nicht zur Diagnose aus!
- Blutuntersuchungen (spezifische IgE-Antikörper)
optional können noch gemacht werden: - Eliminationsdiät
- Provokationstests unter ärztlicher Aufsicht
Wichtig ist die Differenzialdiagnose von z. B. Laktoseintoleranz oder Fruktoseintoleranz, Mastozytose oder anderen Erkrankungen. IgG/IgG4Bestimmungen sind keine validen Methoden für NMA. Ebensowenig Bioresonanz, Elektroakupunktur oder Kinesiologie.
Behandlung
Bei Kindern kommt es in den meisten Fällen zu einer spontanen Selbstheilung der primären Nahrungsmittelallergie im Schulalter. Das klingt esoterisch, heißt aber nur, dass das Immunsystem gelernt hat und nicht mehr übermäßig reagiert. In der Medizin nennt man das Spontanremission. Der natürliche Verlauf einer Nahrungsmittelallergie ist stark vom auslösenden Lebensmittel abhängig: Allergien gegen Kuhmilch, Hühnerei, Weizen und Soja bilden sich häufig in den ersten Lebensjahren spontan zurück. Im Gegensatz dazu neigen Allergien gegen Erdnüsse, Baumnüsse, Fisch und Krebstiere eher dazu, dauerhaft zu bestehen. Dennoch ist auch bei diesen Allergien eine Toleranzentwicklung möglich.
Die primäre Behandlung besteht in der Behandlung von akuten Reaktionen sowie in langfristigen Strategien zur konsequenten Meidung des auslösenden Allergens. Patient*innen sollten über Kreuzreaktionen und versteckte Allergene informiert sein. Bei hohem Risiko für schwere Reaktionen wird ein Notfallset empfohlen, bestehend aus:
- Adrenalin-Autoinjektor
- Antihistaminikum
Eine orale Immuntherapie kann in spezialisierten Zentren bei bestimmten Allergien (z.B. Erdnuss) in Betracht gezogen werden.
Prävention
Zur Vorbeugung von Nahrungsmittelallergien wird empfohlen:
- Stillen in den ersten 6 Lebensmonaten, auch wenn zusätzlich Fläschchennahrung gefüttert wird
- Einführung potenzieller Allergene zwischen dem 5. und 7. Lebensmonat; Hühnerei nur in gekochter oder verbackener Form; Ernüsse in altersgerechter Form (z. B. Ernussbutter)
- Keine präventiven Diäten in Schwangerschaft oder Stillzeit ohne ärztliche Empfehlung.
- Pro- oder Präbiotika eignen sich nicht zur Prävention von Allergien.
Nahrungsmittelallergien erfordern eine genaue Diagnose und ein individuelles Management. Durch Aufklärung, Vermeidung der Auslöser und medizinische Maßnahmen können Betroffene ein weitgehend normales Leben führen. Bei Verdacht sollte immer ein Facharzt konsultiert werden.
Quellen
- Worm al. (2021, verlängert 2025). S2k-Leitlinie: Update Leitlinie zum Management IgE-vermittelter Nahrungsmittelallergien S2k-Leitline der DGAKI. Allergologie, Jahrgang 44, Nr. 7/2021, S. 488-541
- Bundeszentrum für Ernährung (BZfE): www.bzfe.de
- Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI): www.dgaki.de