Alpha-Gal-Syndrom – Die Fleischallergie

Plötzliche Bauchschmerzen, Hautausschlag oder Atemnot nach einem Grillabend? Was wie eine klassische Lebensmittelallergie oder Histaminintoleranz klingt, ist in manchen Fällen etwas ganz anderes: das Alpha-Gal-Syndrom (AGS) – eine ungewöhnliche Fleischallergie. Anders als die meisten Nahrungsmittelallergien zeigt sie sich oft erst Stunden nach dem Essen. Und sie hat etwas mit Zecken zu tun.

Was ist Alpha-Gal?

„Alpha-Gal“ steht für Galactose-α-1,3-Galactose – ein natürlich vorkommendes Zuckermolekül, das in den Zellen vieler Säugetiere enthalten ist. Bei manchen Personen reagiert das Immunsystem fehlgeleitet auf Alpha-Gal – und zwar nicht sofort, sondern mit einer verzögerten allergischen Reaktion. Menschen produzieren dieses Molekül nicht selbst, man kann also nicht auf sich selbst allergisch reagieren.

Wie entsteht das Alpha-Gal-Syndrom?

Die häufigste Ursache ist ein Zeckenbiss. In Europa steht vor allem der Holzbock (Ixodes ricinus, oder einfach die Zecke), in den USA die Lone Star Tick (Amblyomma americanum) unter Verdacht. Während des Saugens gelangen Speichelbestandteile der Zecke ins Blut. Das Immunsystem erkennt dabei Alpha-Gal-ähnliche Strukturen und beginnt, IgE-Antikörper dagegen zu bilden.
Kommt später Fleisch oder tierisches Fett in den Körper, das Alpha-Gal enthält, kann es zur allergischen Reaktion kommen. Man hat eine Fleischallergie.

Typische Auslöser:

  • Rotes Fleisch (Rind, Schwein, Lamm, Wild)
  • Innereien (Leber, Niere)
  • Produkte mit tierischem Fett (z. B. Gelatine, Schmalz)
  • Manche Milchprodukte (bei empfindlichen Personen)
  • Medikamente oder Kapseln mit tierischen Bestandteilen

Symptome – oft verzögert:
Die Besonderheit: Beschwerden treten meist 3–6 Stunden nach dem Verzehr auf.
Das erschwert die Diagnose erheblich.

Mögliche Symptome:

  • Hautrötung, Juckreiz, Nesselsucht
  • Schwellungen (Lippen, Augenlider)
  • Bauchschmerzen, Übelkeit, Durchfall
  • Schwindel, Kreislaufprobleme
  • Atemnot
  • In schweren Fällen: Anaphylaxie

Diagnose der Fleischallergie:
Der Verdacht ergibt sich aus:
1. Typischer Anamnese (Zeckenstich in der Vorgeschichte, verzögerte Beschwerden nach Fleischkonsum)
2. Spezifischer Bluttest auf Alpha-Gal-IgE-Antikörper
3. Ausschluss anderer Ursachen

Therapie & Alltagstipps

Die wichtigste Maßnahme ist striktes Meiden aller Auslöser.

Das bedeutet:

  • Verzicht auf rotes Fleisch und Innereien
  • Vorsicht bei Fertigprodukten und Gelatine
  • Kontrolle von Medikamenten auf tierische Inhaltsstoffe
  • Bei schwerer Allergie: Notfallset mit Antihistaminikum, Kortison und Adrenalin-Autoinjektor

Besonderheiten:

  • Verzögerte Reaktion: unterscheidet sich von den meisten Nahrungsmittelallergien
  • Schweregrade variieren: Manche vertragen geringe Mengen Milchprodukte, andere reagieren schon auf Spuren
  • Heilung möglich: Bei manchen Betroffenen verschwinden die Symptome nach Jahren – wenn es zu keinen weiteren Zeckenstichen kommt

Vorbeugung:
Zeckenschutz (lange Kleidung, Repellents) ist immer ratssam, auch wegen anderer Krankheiten, die durch zecken übertragen werden können. Nach Aufenthalten im Freien gründlich absuchen und Zecken schnell und vollständig entfernen.

Muss man vegan werden?

Das list man sehr oft: „Durch Zeckenstich zum Veganer“ oder „Wer Fleischallergie hat muss vegan leben“. Doch das stimmt nicht, denn das Alpha-Gal kommt nicht in allen Fleischarten vor. Geflügel und Fisch, sind ja keine Säugetiere, beinhalten diesen Zucker nicht. Somit kann man Eier, Geflügel und Fisch getrost essen.

Das Alpha-Gal-Syndrom ist sehr selten, aber tückisch. Die verzögerte Symptomatik macht die Diagnose schwierig, doch gezieltes Meiden der Auslöser kann Beschwerden komplett verhindern. Wer nach Fleischgenuss unerklärliche Beschwerden bekommt – besonders nach einem Zeckenstich – sollte an diese Form der Allergie denken und ärztlich abklären lassen.

Quellen

The alpha-gal story: Lessons learned from connecting the dots, Steinke, John W. et al., Journal of Allergy and Clinical Immunology, Volume 135, Issue 3, 589 – 596

Commins, S. P. (2020). Diagnosis & management of alpha-gal syndrome: lessons from 2,500 patients. Expert Review of Clinical Immunology16(7), 667–677. https://doi.org/10.1080/1744666X.2020.1782745

Macdougall, J. D., Thomas, K. O., & Iweala, O. I. (2022). The Meat of the Matter: Understanding and Managing Alpha-Gal Syndrome. ImmunoTargets and Therapy11, 37–54. https://doi.org/10.2147/ITT.S276872